Der römische Legionär Longinus, ein Centurio, soll sich dereinst eine besonders derbe Abscheulichkeit geleistet haben: In die Seite gebohrt soll er ihm haben, mit einer Lanze, kurz unter dem rechten Rippenbogen. Dort hätte ein jeder einen Mucks abgegeben, wäre er noch am Leben, doch der Mann am Kreuze blieb regungslos.
Dass der Dahingeschiedene nichts Geringeres sein würde als der wirkmächtigste Mann aller Zeiten, das konnte Longinus in diesem Moment, als der Himmel sich verdüsterte, über dem Kreuzigungshügel Golgatha, nicht ahnen.
Und dass er das Schicksal Deutschlands nachhaltig formte noch weniger. Aber seine ehrlose Tat, an dem Ort des Schädels, sollte nicht nur als das Wunder der Kreuzigung in die Weltgeschichte eingehen, sondern auch als die Geburtsstunde eines des begehrtesten kultisch-religiösen Gegenstände in der Geschichte Deutschlands und der Menschheit überhaupt.
In dem Moment, als das Blut des Toten die Lanze berührte, wurde die Waffe zum „Speer des Schicksal“, zur „Heiligen Lanze“, zur „Gralslanze“ – und somit zu einer der machtvollsten Reliquien Deutscher Könige und Kaiser.
Es wundert nicht, dass jeder noch so kleine Gegenstand mit dem Jesus Christus jemals in Berührung gekommen sein soll wundertätige Eigenschaften zugeschrieben bekommt, aber als wäre die Lanze mit seinem Blut nicht schon Heiligkeit genug, wurde sie noch mit zwei Nägeln des Kreuzes ausgestattet, an dem er sein Martyrium erlitt. Doppelt hält besser.
Die Heilige Lanze – Die funktionierende Wunderwaffe
Zahlreiche Legenden spinnen sich von da an um die Heilige Lanze. Unbesiegbarkeit war ein Kriterium, welches sie ihrem Träger gewähren sollte und tatsächlich: Bei den Schlachten an denen sie mitgeführte wurde, war der Sieg seinen Trägern hold – meistens zumindest.
Das erste Oberhaupt des noch jungen Deutschen Reichs, der Ostfrankenkönig Heinrich I. (ca. 876-936), setzte das neu erworbene Herrschaftszeichen erstmals erfolgreich bei der Schlacht von Riade (933) ein.
Am Tag der Schlacht greift Heinrich fest entschlossen nach der heiligen Waffe, spricht seinen tapferen Männern ein letztes Mal Kraft und Mut zu und setzt sich als Lanzenträger (Bannerträger) an die Spitze seiner schlagkräftigen Streitmacht.
Als es gegen das gefürchtete Heer der Magyaren (Ungarn) geht, funkelt furchteinflössend die Gralslanze in seiner geharnischten Hand. Tief in seinem Herzen, verschüttet unter dem Groll jahrzehntelanger Schmach und Schande, die ihm die Magyaren und dem Deutschen Reich hinzugefügt hatten, erfleht Heinrich, siegessicher und barmherzig, um Gande für die aggressiven ungarischen Reiternomaden.
Doch umsonst: Die Schlacht von Riade beginnt kompromisslos und endet unerbittlich mit der verheerenden Niederlage für die schlitzäugigen Ungarnreiter auf ihren struppigen Pferden.
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Wenige Jahre später, im Jahre 939, beweist die Heilige Lanze in der Schlacht von Birten, unweit von Xanten, abermals ihre schützende und lebenspendende Wirkung. Otto I. der Große (912-973), Sohn und Nachfolger Heinrich I., sieht sich mit verschwörerischen Aufständen konfrontiert.
Es geht um nicht weniger als die Zugehörigkeit des Rheinlands, – dem „leidenschaftlichsten Stück Deutschlands“, wie es auch gern genannt wird.
Bei der Vorbereitung zur Schlacht geraten Teile seiner Vorhut auf eine unzugängliche Seite des majestätischen Flusses mitten im Herzen dieses Landes. Abgeschnitten von seinen Truppen überlegt Otto fieberhaft, wie er seine Soldaten unterstützen kann.
Er erinnert sich an den Propheten Moses, und wie jener einst den Israeliten half gegen die niederträchtigen Amalekiter zu bestehen: „Ein Gebet vermag alles“ – heißt es so trefflich in einem christlichen Zitat. Otto steigt geschwind vom Pferd, lässt sich auf die Knie fallen und betet voller Inbrunst unter Tränen vor der siegbringenden Gralslanze. Eine Schlacht ward geschlagen – und für das Deutsche Reich entschieden.
Ein weiteres Mal bewährte sich die Lanze in der Schlacht auf dem Lechfeld (955). Wieder war es Otto I. der gegen die Ungarn ins Feld ziehen musste. Wie der bedeutende sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey (ca. 925-973) zu berichten weiß, stürmte Otto in jener Schlacht, schwer bewaffnet mit Gralslanze und Schild, furios auf die wilden Ungarnhorden zu.
Beflügelt von tiefer tugendhafter Pflichterfüllung erreicht der Deutsche König im ungestümen Galopp unversehrt die feindlichen Linien und eröffnete die Schlacht als tapferster Ritter und großartiger Feldherr an vorderster Front.
In dem er in die feindlichen Linien eine Bresche schlägt, ermöglicht er seinen nachrückenden Panzerreitern den Zugang in die dichte Schlachtformation der feindlichen Ungarn. Für Otto I. war es Gott, der solches Vertrauen belohnte – und die Heilige Lanze das verbindende Element.
Nach dem endgültigen Sieg über die Ungarn befahl Otto allen Kirchen im Reich Feiern abzuhalten.
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Hat sich die göttliche Energie der Heilige Lanze verbraucht?
Trotz aller Siege die mit der Lanze errungen wurden, schwächten immer wieder Niederlagen das Vertrauen in die siegreiche Kraft der Gralslanze. Es schien, als hätte sich die göttliche Kraft dieser geheimnisvollen Christusreliquie für immer verbraucht.
Ist der einstige Zauber, die Energie, das sakrale Pneuma, etwa für immer verloren gegangen? Nein, das lässt sich nicht mit Gewissheit sagen …
Aber es kam wie es kommen musste: Heinrich IV. (1050-1106) sollte der letzte Deutsche Herrscher sein, der im Jahr 1075 noch einmal auf die Kraft der Lanze setzte. Im Sachsenkrieg führte er sie bei der Schlacht an der Unstrut ins Feld, durchaus erfolgreich: Der gewaltigen Manneskraft die im Schlachtverlauf gegen die widerspenstigen Sachsen brandetet, konnten die Aufständischen nichts entgegensetzen.
Eins ist jedoch sicher: Der Wert der Heiligen Lanze, für die stolze Historie Deutschlands, kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Die Heilige Lanze findest du, neben den anderen Objekten der hochmittelalterlichen Reichskleinodien, sicher aufbewahrt, in der Schatzkammer der Wiener Hofburg.
Zusammen mit der Reichskrone und dem Reichsschwert bildet sie den wichtigsten Teil der wundertätigen deutschen Herrschaftzeichen.